Gedankenanstoß

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Ein neuer Anfang, eine neue Saat

Was Frucht mit einem gelingenden Leben zu tun hat.

Säet Gerechtigkeit und erntet nach dem Maße der Liebe! Pflüget ein neues, solange es Zeit ist, den Herrn zu suchen, bis er kommt und Gerechtigkeit über euch regnen lässt. (Hos 10,12)

Der Vers enthält gewisse bäuerliche Handlungsanweisungen, die manchem Städter von heute fremd vorkommen werden. Da bietet es sich an, einmal genauer hinzuschauen: Was bedeutet denn „säen“, „ernten“, „pflügen“?

Die biblische Vorstellungswelt ist gar nicht so sehr verschieden von unserer heutigen. Denn es geht bei dem ganzen ja um die Existenzgrundlagen. Keine Saat – keine Ernte. Und dementsprechend bleiben die Regale in den Läden leer. Dass man dafür etwas ganz praktisch tun muss, ist eigentlich selbstverständlich: Pflügen, „ackern“, ein Feld bestellen. Aber dann hört die menschliche Aktion auch wieder auf. Denn ohne Regen – er kommt auch in diesem Vers vor, wenn auch weiter hinten – ist alles fruchtlos.

Frucht

Als ich vor fünf Jahren ins Elternhaus meiner Frau und damit „aufs Land“ zog – ich hatte bislang nur in Städten gelebt – lernte ich bald eine neue Vokabel: „Frucht“. Das Wort ist zusammenfassender Begriff für das Getreide, für die Vorräte, für die Ernte.

Um Frucht geht es auch hier im Bibeltext. Weniger um die Früchte, sondern um das Resultat menschlichen Lebens und Tuns, das, was „hinten herauskommt“. Um das Ergebnis geht es im Hoseabuch. Dieses 10. Kapitel beginnt mit den Worten: „Israel war ein üppiger Weinstock, der seine Frucht trägt.“ Israel, das ist hier sowohl Volks- wie Landschaftsbegriff. In der Zeit des Propheten bezeichnet Israel in erster Linie das Nordreich im Gegensatz zum Südreich Juda. Wollte man ganz ausschließlich von diesem Nordreich und seinen Bewohnern sprechen, verwendete man auch den Stammes-Namen „Ephraim“ – ein Name, der übrigens auf Hebräisch „doppelt fruchtbar“ bedeutet. Im voran gegangenen Kapitel (Hos 9) lautet der 16. Vers: „Ephraim ist geschlagen, seine Wurzel ist verdorrt, sodass sie keine Frucht mehr bringen können.“ Frucht kann nur entstehen, wo sich Wurzeln gebildet haben. Die ganze Pflanze „funktioniert“ nur, wenn die Nährstoffe im Boden aufgenommen werden können.

No Roots

Einer meiner Ohrwürmer der letzten Monate ist der Song einer jungen Frau namens Alice Merton mit dem Titel „No Roots“ – auf Deutsch: keine Wurzeln. Das Lied entstand bei einem Besuch bei ihren Eltern in England. Alice Merton war an einen Punkt gelangt, an dem sie sich äußerst verloren fühlte. Sie fasste den Entschluss, ein Lied zu schreiben, um ihre persönliche Stimmung zu verbessern. Das Lied „No Roots“ beschriebt ihre Lebensgeschichte, und erzählt davon, dass Alice häufig umgezogen ist. Wer wie sie in vielen Ländern gewohnt hat, dem gelingt es möglicherweise nicht, seine Heimat an einem festen Ort zu finden, allenfalls bei den Menschen, die einen wirklich liebhaben. Und dies stellt etwas dar, was auch im Wort des Propheten zu finden ist.

Die Diagnose „no roots“ bedeutet zunächst einmal im Sinne der Botanik folgerichtig: Da ist nur noch Tod anstatt Leben. Exitus! Nach menschlichem Ermessen ist das das Ende. Es sei denn Gott hat noch einen Ausweg parat! Etwas Wegweisendes, Grundlegendes muss passieren. Und das ist:

Ein neuer Anfang, eine neue Saat!

Das Motiv des Säens wird hier verknüpft mit dem Stichwort „Gerechtigkeit“. Die gehört für unser heutiges Verständnis zu den abstrakten Werten. Mein erster Eindruck war: Seltsamer Gartenbau, merkwürdige Landwirtschaft! Wie soll man Gerechtigkeit säen? Etwas mit Gerechtigkeit tun, das kann man sich ja noch vorstellen. Da müsste man halt drauf achten, alles gleichmäßig einzusäen. Aber wie kann etwas Abstraktes wie Gerechtigkeit überhaupt in die Hand genommen werden, um es dann dem Erdboden anzuvertrauen? Und was soll dann daraus wachsen? Etwa auch wieder Gerechtigkeit? Das wäre ja wunderbar, wenn so die Welt verändert werden könnte!

Dann wünschte ich mir allerdings noch andere Anweisungen: Frieden säen, Verständnis, Vertrauen, Glaube an Gott! Und in der Tat: Im biblischen Denken ist die Gerechtigkeit gleichbedeutend mit einem ganz praktischen Leben im Einklang mit Gott, dem Nächsten und sich selbst. Gerechtigkeit ist nicht eine Art humanistischer Maßstab sondern eine Eigenschaft Gottes und damit auch die von Menschen, die an Gott glauben! Als nächstes geht es gleich um die Ernte. Und zwar handelt es sich um eine nach dem

Maß der Liebe

Um welche Liebe geht es? Weniger um die des Menschen. Gott ist derjenige, der hier das Wort ergriffen hat. So betont es die Übersetzung „Hoffnung für alle“: „Ich sagte zu ihnen: ›Wenn ihr Gerechtigkeit sät, werdet ihr meine Liebe und Treue ernten. Fangt ganz neu an wie ein Bauer, der ein brachliegendes Feld zum ersten Mal wieder bestellt! Denn die Zeit ist da, mich, den HERRN, zu suchen. Dann werde ich kommen und Gutes vom Himmel für euch regnen lassen.“

Anstatt von Liebe kann hier auch von der Treue Gottes gesprochen werden, präziser: von seiner „Bundestreue“ oder ganz schlicht: von „Gnade“ (Vgl. 2. Mose 33,19: „Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig“). Das tut die Elberfelder Bibelübersetzung sehr eindrücklich: „Säet euch nach Gerechtigkeit! Erntet gemäß der Gnade!“ Etwas muss aber noch vor dem Ernten passieren:

Pflügen

Pflügen ist etwas durchaus alltäglich Vorkommendes gewesen, damals im Heiligen Land. „Ein neues“ pflügen, das meint: eine neue Furche anlegen. Den festen Boden aufbrechen mit dem schweren Pflug. Damit ein neues Feld angelegt werden kann. In der Gute Nachricht Bibel heißt dieser Teil des Verses: „Macht einen neuen Anfang wie der Bauer, der ein neues, ausgeruhtes Stück Land unter den Pflug nimmt!“ Ich sage manchmal, um mich zu motivieren: „auf ein Neues“ – und so ist diese Anweisung Gottes gemeint. Bleib nicht stehen bei dem, was du bisher erreicht hast. Der Grund dafür wird in den Worten Hoseas gleich nachgeliefert: Es ist Zeit, höchste Zeit! Und zwar wofür?

Zeit, um den Herrn zu suchen!

Das richtet sich nicht an Leute, die sich darauf beschränkt haben, immer nur zu suchen und niemals zu finden. Auf der Suche sein, das ist hier ganz existenziell und dringlich zu verstehen. Denn hier geht es um Menschen, die auf der Suche sind – nach Gott! Und das Wort für diese Suche im Hebräischen bedeutet außer „suchen“ auch „fragen“. Wie in anderen Sprachen – z.B. im Französischen – hat „suchen“ in der Sprache Israels eine Nebenbedeutung. Die Gute Nachricht Bibel übersetzt hier in diesem Sinne: „Es ist Zeit, dass ihr zu mir, dem Herrn, kommt und fragt, was ich will. Dann komme ich zu euch und werde Glück und Segen auf euch regnen lassen!“

Volker Storch
Bild: © Jamie Street / unsplash.com

Quelle: ERF.de